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Făgăraș-Durchquerung

Făgăraș-Durchquerung: Blick vom Podu-Giurgiului-Pass bis hinüber zum Viștea Mare
Făgăraș-Durchquerung: Blick vom Podu-Giurgiului-Pass bis hinüber zum Viștea Mare © gipfelwelt.net

Die Făgăraș-Durchquerung auf dem Hauptkamm ist eine Traumtour für Selbstversorger in den Transsilvanischen Alpen und das Highlight der rumänischen Karpaten.

Tag 1: Turnu Roșu – Lacul Avrig (7 h, 21 km)

Am Abend vor Beginn meiner Făgăraș-Durchquerung hatte ich mich an der aktuell nahegelegensten Unterkunft vom Startpunkt einquartiert, dem sehr einfachen Motel Popas* in Tălmaciu. Dies ist vor allem auf Trucker-Fahrer der vorbei donnernden A1 ausgelegt. Der schlimme Essensgeruch ließ erst nach Schließen der Küche etwas nach, hing aber im ganzen Raum. Immerhin konnte jetzt die klare Bergluft durch die weit geöffneten Fenster strömen und ich verbrachte noch eine halbwegs angenehme Nacht.

In den Tagen zuvor war mir aufgefallen, dass sich die Wettervorhersage für das Făgăraș rund um den Negoiu ständig änderte. Da jetzt aber zumindest für den nächsten Tag Bestwetter vorhergesagt, wagte ich den Start. Ich hatte ihn erst um einen Tag verschoben wegen angekündigten Starkregens, der dann gar nicht eintrat.

Mit einem Regionalzug in sehr fragwürdigem Zustand, wo unter anderem die Türen während der Fahrt nicht richtig schlossen, ging es zwei Stationen zum Startpunkt der Făgăraș-Durchquerung in Turnu Roșu. Dass dies der nächstgelegene Bahnhof für eine komplette Durchquerung des Făgăraș ist, scheint noch nicht im Bewusstsein der Bevölkerung angekommen zu sein. Das Potenzial für den Trekkingtourismus liegt noch völlig brach, es gibt hier derzeit nur einen kleinen Lebensmittelladen und sonst keinerlei touristische Infrastruktur.

Ich folgte der Dorfstraße durch den beschaulichen Ort hinaus, wo Landwirte in die Felder aufbrachen und Kinder herausgeputzt den Schulweg antraten. Auf einem breiten Fahrweg ging ich neben einem sprudelnden Bach durch den Wald leicht bergan und konnte schon bald in der Ferne den Făgăraș-Kamm erkennen. Alsbald entdeckte ich die ersten Markierungen: Der Zustieg zum Kamm ist mit einem roten Kreuz auf weißem Grund gekennzeichnet. Ich wunderte mich erst, warum hier überall Rettungsstellen ausgewiesen sind. Aber nein, das ist eine in Rumänien übliche Markierweise für Wanderwege.

Făgăraș-Durchquerung: Mönchskloster von Turnu Roșu
Făgăraș-Durchquerung: Mönchskloster von Turnu Roșu © gipfelwelt.net

Beim schönen, neu errichteten Mönchskloster von Turnu Roșu endete der Fahrweg, und es ging auf einem guten Waldweg weiter. Mein Gebet, im Wald nicht auf Bären zu treffen, wurde erhört. Allerdings sprang hier ein laut kläffendes Rudel wilder Hunde herum, wie sie in Rumänien leider am Rande von Besiedlungen sehr häufig zu finden sind. Sie stieben aber davon, nachdem sie mich kurz ins Augenmerk genommen hatten.

Făgăraș-Durchquerung: Făgăraș-Blick hinter Turnu Roșu
Făgăraș-Durchquerung: Făgăraș-Blick hinter Turnu Roșu © gipfelwelt.net

Hinter dem Kloster endete die Straße und ich zweigte im Scheitelpunkt der letzten Kehre auf einen breiten Waldweg ab. Nach einem kurzen Stück wurde der Weg zu einem wilden Wanderweg und führte sehr steil einen kurzen Abschnitt unter den Gipfel der Chica lui Ionel (1.235 m). Ein Rastplatz direkt an der Baumgrenze offenbarte eine Sitzgelegenheit und einen ersten weiten Blick über das Făgăraș

Über den Kamm ging es jetzt weiter hinauf bis auf den Făgăraș-Kamm, den ich an der Șaua Corbului (1.568 m) erreichte. Hier stieß ich auf den Fernwanderweg E8, dem ich im weiteren Verlauf der Făgăraș-Durchquerung überwiegend folgte. Er ist weiß-rot-weiß markiert in einer sehr gut erkennbaren Kombination aus Wegweisern, markierten Felsen und großen Metallstangen.

Făgăraș-Durchquerung: Tătarul
Făgăraș-Durchquerung: Tătarul © gipfelwelt.net

Jetzt auf Gebirgsweg, aber nicht allzu fordernd, führte mich der Weg immer über den Kamm mit nicht allzu schroffen, grünen Hügeln immer weiter in die Höhe. Kurz darauf hast du mit dem Tătarul (1.890 m) in einem Schwenk der Route die Option für eine erste sanfte Gipfelbesteigung. Ich entschied mich aber für den offiziellen Weg und passierte den Sattel unterhalb des Gipfels.

Die 2.000er-Marke knackte im Zustieg der Șaua Surului (2.110 m), was so viel heißt wie Sattel des Grauens. Dass die Rumänen ihren Bergen gerne klangvolle bis angsteinflößende Namen geben, brachte mich im Verlauf der Făgăraș-Durchquerung noch ein paar Mal zum Schmunzeln.

Făgăraș-Durchquerung: Lacul Avrig
Făgăraș-Durchquerung: Lacul Avrig © gipfelwelt.net

Ich flankierte zwei Gipfel und stieg zum Lacul Avrig ab. Der kleine Bergsee liegt in einer schönen Kuhle und schimmerte in der Nachmittagssonne smaragdgrün. 

Da es direkt dahinter recht schroff weiter geht und ich doch schon sieben Stunden unterwegs war, beschloss ich, hier das erste Nachtlager aufzuschlagen. Am Seeufer gab es einige Steinkreise als etwas geschützte Zeltplätze. Eine Quelle war ausgewiesen und ein kurzes Stück zu gehen. Aber ich brauchte zur Zubereitung meiner Trekkingnahrung nicht viel Wasser, und waschen konnte ich mich mit dem Wasser vom See. Den ganzen Tag hatte ich nur zwei Wanderer getroffen, und einer campierte an der gegenüberliegenden Seite des Sees.

Făgăraș-Durchquerung: Zeltlager am Lacul Avrig
Făgăraș-Durchquerung: Zeltlager am Lacul Avrig © gipfelwelt.net

Tag 2: Lacul Avrig – Refugiul Călțun (7 h, 10 km)

Horrornacht im Făgăraș: Ich wurde von einem tosenden Sturm mit Starkregen aus dem Schlaf gerissen. In letzter Zeit hatte ich schon öfters die Limits von Ultraleicht-Trekking überreizt, und das hier war auch wieder eine Lehre dafür: Mein wirklich großartiges und extrem wasserdichtes Zpacks Duplex Lite Zelt hielt mit den Nordisk Titanium Tooth Pegs zum ersten Mal der Witterung nicht stand. Die kleinen Heringe wurden nämlich aus dem Boden gerissen und die umgekippten Zelttüren hielten das Wasser kein bisschen zurück, weil sie keine Reißverschlüsse haben. Mehrere Versuche, das Zelt wieder aufzubauen, scheiterten. 

Am nächsten Morgen war ich nicht nur mit den Nerven am Ende, sondern mein gesamtes Equipment komplett durchnässt und auf dem Zeltboden hatte sich reichlich Wasser gesammelt. Zwar regnete es jetzt nicht mehr, aber es fegten immer wieder Sturmböen über das Făgăraș und Nebel verdeckte die Sicht bis auf wenige Meter. Ich versuchte, meine Ausrüstung so gut es ging von Wasser zu befreien und stapfte mit dem klammen Rucksack los. 

Auch ohne Sicht war dieser Tag eine absolute Hochgebirgs-Traumtour und sehr fordernd mit einiger Kletterei. Wenigstens lenkte mich das von meinem Schicksal ab. Ich arbeitete mich konzentriert durch das Geröll auf hervorragend markiertem Weg, sodass die Orientierung auch im Nebel recht leicht fiel. 

Făgăraș-Durchquerung: Aufstieg zum Varful Scara
Făgăraș-Durchquerung: Aufstieg zum Varful Scara © gipfelwelt.net

Über die Scara (2.306m) und die Puha (2.176 m) kraxelnd erreichte ich den sanften Pass Șaua Scara (2.120 m) mit Quelle und dem ganz neu gebauten Refugiul Scara II. Die große und moderne Schutzhütte sah ich aber gar nicht im Nebel, obwohl ich sie in nächster Nähe passierte.

Mit stetiger Kletterei ging es über einige weitere Gipfel auf den Șerbota (2.331 m). Hier entschied ich mich gegen die Custura Sărății (“Kirchendach”), da sie Kletterstellen bis zum Schwierigkeitsgrad T5 aufweist. Bei gutem Wetter jedoch unbedingt zu empfehlen.

Făgăraș-Durchquerung: Abstieg vom Șerbota
Făgăraș-Durchquerung: Abstieg vom Șerbota © gipfelwelt.net

Ich umging die Passage südlich auf einer etwas leichteren Schleife, die auch dem Verlauf des Fernwanderwegs E8 entspricht. Erst mal ging es jedoch zunächst grotesk steil den Hang hinab, und an ein paar Stellen musste ich überlegen, wie ich sie überwand. Dann ging es etwas einfacher durch die Flanke und zum Schluss im heftigen, aber gut zu kletternden Anstieg auf die Șaua Cleopatrei, den Kleopatra-Sattel (2.340 m). Hier trifft der E8 auf die Route über das Kirchendach.

Făgăraș-Durchquerung: Negoiu
Făgăraș-Durchquerung: Negoiu © gipfelwelt.net

Der Aufstieg zum Negoiu-Gipfel (2.535 m) stramm bergan, aber nicht so schwer, brachte mich zum höchsten Punkt der Făgăraș-Durchquerung. Der Negoiu ist der zweithöchste Berg Rumäniens und scheint ein sehr eigenwilliges und stark wechselhaftes Mikroklima zu verursachen. So würde ich mir zumindest die ständig ändernde und daneben liegende Wettervorhersage in diesem Bereich des Der Aufstieg zum Negoiu-Gipfel (2.535 m) stramm bergan, aber nicht so schwer, brachte mich zum höchsten Punkt der Făgăraș-Durchquerung. Der Negoiu ist der zweithöchste Berg Rumäniens und scheint ein sehr eigenwilliges und stark wechselhaftes Mikroklima zu verursachen. So würde ich mir zumindest die ständig ändernde und daneben liegende Wettervorhersage in diesem Bereich des Făgăraș erklären.

Im Abstieg ging es anfangs wieder ziemlich knackig zur Sache mit einigen seilversicherten Passagen, der restliche Absteig dann aber auf guten Wegen durch Geröll. Der Nebel lichtete sich kurz ein klein wenig und gab den Blick frei auf den Călțun-See. Eine Quelle befindet sich ausgeschildert südlich des Sees, allerdings gibt es am Nordufer je nach Wetterlage auch einige gute Rinnsale, die aus dem Fels hervorsprenkeln.

Făgăraș-Durchquerung: Lacul Călțun
Făgăraș-Durchquerung: Lacul Călțun © gipfelwelt.net

Hier wollte ich den Wandertag beenden. Inzwischen waren die Temperaturen unter den Gefrierpunkt gesunken. An Zeltaufbau war mit der durchnässten Ausrüstung und in Anbetracht der Kälte nicht zu denken, also suchte ich Unterschlupf im Refugiul Călțun. Das noch relativ neue, aber sehr spartanische Schutzhaus liegt etwas oberhalb nordöstlich des Sees.

In der Hütte war schon ein Trupp von ein paar Bergwanderern versammelt. Es war aber mehr als genug Platz vorhanden, sodass wir uns alle halbwegs gemütlich einrichten konnten. Warm war es auch in der Hütte nicht, aber zumindest ein paar Grad wärmer als draußen und vor allem trocken.

Făgăraș-Durchquerung: Rifugiul Călțun
Făgăraș-Durchquerung: Rifugiul Călțun © gipfelwelt.net

Tag 3: Refugiul Călțun – Şaua Caprei (3 h, 5 km)

Am nächsten Tag hatte sich das Wetter weiter verschlechtert. Es war noch kälter geworden und stürmte ziemlich. Ein Teil der Hüttenmitbewohner entschied sich für den Abstieg, die beiden Verbliebenen wollten nachmittags weiter, wenn der Sturm nachlassen sollte. Für mich war es ziemlich schnell klar, dass mit meiner nassen Ausrüstung heute nichts geht. Ich harrte den Tag im Refugiul Călțun aus und versuchte vergeblich, meine Sachen zu trocknen.

Erstaunlicherweise waren einige Verrückte unterwegs, die mittags in der Hütte Pause machten. Und gegen Abend kam ein Paar an, das sich entschlossen hatte, bei diesem miesen Wetter eine Tour vom nahegelegenen Bâlea-See zu starten.

Nach einer weiteren kalten Nacht in der Hütte erwartete mich der nächste Morgen mit etwas höheren Temperaturen. Der Sturm hatte aufgehört und der Nebel hing schwer über dem Făgăraș. Heute würde es nur eine Minietappe geben. Ich machte mich auf dem Făgăraș-Kamm an den Aufstieg zum Lăițel (2.391 m) mit leichter Kletterei. Im Abstieg gab es wieder ein paar seilversicherte Stellen, alles in allem war aber alles recht human.

Es kamen mir recht viele Wanderer entgegen, was sicher auch an der Nähe zur Transfăgărășan liegt. Die traumhafte Hochstraße zerteilt den Făgăraș etwas westlich seiner Mitte und schwemmt damit die Zivilisation in die ansonsten recht unberührte Wildnis. Von der Straße bleibst du auf dem Kammweg aber komplett verschont, da sie hinter dem Lacul Bâlea in einem langen Tunnel verschwindet.

Ich musste mir jetzt leider eingestehen, dass die Zivilisation mein Rettungsanker war. Ich hätte die Tour sonst nicht fortführen können. Somit stieg ich an der Şaua Caprei jetzt selbst zum Lacul Bâlea ab. Das ist der hardcore-touristifizierte große Bruder des Lacul Capra, der sich höher gelegen direkt auf der anderen Seite des Făgăraș-Kamms und der Şaua Caprei derbefindet. Da dir hoffentlich dieses Schicksal erspart bleibt, habe ich in der GPS-Route die Wegführung entlang des Kamms belassen und den Abstieg nicht berücksichtigt.

Das Hotel direkt am See Bâlea Lac war ausgebucht. Daher ging ich an riesigen Parkplätzen und Büdchen vorbei bis zur kaum als solche erkennbaren klapprigen Bergstation der Telecabina

Die kleine Seilbahn führt zu einem tiefer gelegenen Punkt der Transfăgărășan mit zwei Hotels: eines direkt in der Talstation (Bâlea Cabină) und eines direkt westlich daneben (Bâlea Cascadă). Vor den Hotels gibt es einen kleinen Markt für die Hochstraßen-Touristen, und ein kurzer Wanderweg führt zu einem riesigen Wasserfall.

Ich hatte mich im Cabină einquartiert, was sehr schöne Zimmer hat, aber kein Essen und kein Internet. Also versorgte ich mich mit beidem im Cascadă. Dessen Internet war immerhin auch im Rezeptionsbereich meines Hotels verfügbar. Den fand ich erst gar nicht, da er nicht gekennzeichnet war: Es ist die “Snack Bar” direkt nach dem Drehkreuz des Seilbahn-Abgangs. Die Kombi fand ich letztlich gar nicht so schlecht, denn die Räumlichkeiten im Cascada wirkten nicht sehr einladend. Von außen wirken das übrigens beide Hotels nicht.

Jetzt konnte ich mein gesamtes Equipment richtig durchtrocknen und wieder in Schuss bringen. Außerdem hatte mein Körper etwas Erholung von vier nicht besonders tollen Nächten nötig: Erst Geruchsschock, dann Sturm- und Nässeschock, dann zwei Eisnächte war schon etwas viel Ungemach. Ich ließ es mir also über zwei Übernachtungen rundherum gut gehen, und siehe da, das Wetter verbesserte sich immer weiter und ward schließlich purer Sonnenschein.

Die Zeitbilanz fiel für den ersten Teil meiner Făgăraș-Durchquerung nun allerdings schon etwas verheerend aus: Zwei Tage Zwangspause und eine Minietappe standen nur zwei normalen Wandertagen gegenüber. Mit der zurückgewonnenen Sonne hoffte ich, ab jetzt deutlich zügiger weiter zu kommen.

Tag 4: Şaua Caprei – Fereastra Mică a Sâmbetei (8 h, 16 km)

Făgăraș-Durchquerung: Lacul Capra
Făgăraș-Durchquerung: Lacul Capra © gipfelwelt.net

Die Sonne war mit voller Kraft zurück! Begleitet wurde sie allerdings von strammem Wind. Dennoch startete ich voller Tatendrang und gut erholt den vierten Wandertag mit dem Aufstieg in Menschenmassen vom Lacul Bâlea zurück auf den Făgăraș-Kamm an der Şaua Caprei. Am blau-grün funkelnden Lacul Capra hatte ich schon den allergrößten Teil der Tagesausflügler abgeschüttelt und ging an einem Bergsteiger-Monument vorbei den schönen Weg durch eine langgezogene Flanke. Dahinter ragte schroff ein kleiner wilder Grat auf: La Trei Pași de Moarte, die drei Todesschritte.

Făgăraș-Durchquerung: La Trei Pași de Moarte
Făgăraș-Durchquerung: La Trei Pași de Moarte © gipfelwelt.net

Im Vergleich zum Gekraxel am Negoiu waren die paar stahlversicherten Übertritte ein Witz. Für Probleme sorgten allerdings offensichtlich unerfahrene Wanderer, die sehr ungünstig im Weg herum standen und nicht verstanden, wieso man steile Stellen vielleicht für Nachkommende freigeben sollte. Es war auch auf Anhieb nicht zu erkennen, wer ging und wer Pause machte, so langsam bewegten die sich fort. Also war Schlange stehen angesesagt.

Nach dieser Staustelle ließ die Anzahl an Wanderern nochmals deutlich nach, und ich genoss den gut zu gehenden Traumpfad über mehrere Gipfel und ihre Flanken. Ich passierte das Nerlinger-Denkmal für zwei verunglückte Bergsteiger hoch über dem glitzernden Lacul Buda.

Făgăraș-Durchquerung: Aufstieg zum Mircii
Făgăraș-Durchquerung: Aufstieg zum Mircii © gipfelwelt.net

Nochmals etwas steiler und kräftefordernd, aber auf leichter Route, ging es den Mircii (2.470 m) hinauf. Das ist der dritthöchste Punkt auf der Făgăraș-Durchquerung. Dementsprechend erhaben ist das 360-Grad-Panorama, das ich mir leider mit einer schnatternden Wandergruppe teilen musste.

Făgăraș-Durchquerung: Podul Giurgiului
Făgăraș-Durchquerung: Podul Giurgiului © gipfelwelt.net

Beim Abstieg vom Mircii konnte ich bereits den Podul Giurgiului ausmachen. Der kleine Bergsee liegt traumhaft schön und bietet ein ideales Plätzchen für das Wildcamping. Am Zulauf holte ich mir frisches Wasser.

Făgăraș-Durchquerung: Zustieg Viștea Mare
Făgăraș-Durchquerung: Zustieg Viștea Mare © gipfelwelt.net

Der folgende Abschnitt war fast der schönste auf der Făgăraș-Durchquerung. Über mehrere Sattel ging es unmittelbar unterhalb des Kamms weiter mit großartigen Blicken über die nördliche und südliche Tiefebene, zwischen denen das Făgăraș wie ein Fremdkörper aufragt.

Hoch über den Talkesseln mehrere Gipfel flankierend, erreichte ich über den Podu-Giurgiului-Pass den Zustieg zum Viștea Mare (2.524 m). Er ist der zweithöchste Punkt auf der Făgăraș-Durchquerung. Auf dem Bergrücken ging es stramm, aber nicht extrem fordernd bis auf den Gipfel, den ich diesmal endlich für mich ganz allein hatte.

Făgăraș-Durchquerung: Auf dem Viștea Mare
Făgăraș-Durchquerung: Auf dem Viștea Mare © gipfelwelt.net

Falls du doch ein letztes Mal Menschentrubel willst, kannst du von hier aus flink zum wenige Hundert Meter entfernten Moldoveanu (2.544 m) aufsteigen, der sich als höchster Punkt Rumäniens einem riesigen Andrang erfreut. Ich verzichtete gerne und stieg nun zum Rifugiul Viștea Mare hinab, das bereits von der Scharte Portita Viștei (2.294 m) knallrot in einer kleinen Kuhle zu erkennen war, obwohl es winzig klein ist.

Făgăraș-Durchquerung: Blick von der Portita Viștei auf Rifugiul Viștea Mare, im Hintergrund die Piatra Craiului
Făgăraș-Durchquerung: Blick von der Portita Viștei auf Rifugiul Viștea Mare, im Hintergrund die Piatra Craiului © gipfelwelt.net

An der Hütte lungerten schon ein paar Trekker herum. Mir war gerade noch nicht nach Etappenabschluss, deswegen passierte ich drei weitere Flanken auf weiterhin traumhaft schönem Weg und erreichte so den Sattel Fereastra Mică a Sâmbetei (2.191 m). Auf diesem Pass befindet sich eine Hütte der Bergwacht. Sie war offen und so suchte ich hier Unterschlupf für die Nacht. In Anbetracht der langsam sehr lang werdenden Schatten war es auch an der Zeit, das Nachtlager einzurichten.

Was war ich froh über die Alternative zum Zelt, denn der andauernde starke Wind nervte inzwischen ganz schön. Drinnen war es also endlich windstill, und ich hatte die Hütte ganz für mich. Leider fand ich die Schutzhütte der Bergwacht ziemlich verschmutzt und vermüllt vor. Aber es gab auch einen großen Besen, also fegte ich die Hinterlassenschaften der Vorwanderer flink zusammen und richtete es mir auf einem der riesigen Bettgestelle gemütlich ein.

Eine Quelle befindet sich etwa einen Kilometer den Hang hinab. Da es noch recht früh war, reichte die Motivation für einen Ausflug dort hin, um mich zu waschen und natürlich mit Frischwasser zu versorgen. Danach bereitete ich in der Hütte eine Trekkingmahlzeit zu und machte mich bettfertig.

Schon halb eingeschlafen, schreckte ich auf, als ein Wanderer mit greller Stirnlampe herein kam. Ich befürchtete erst, einem Einsatz der Bergwacht im Weg zu sein. Aber der Kollege hatte sein Zelt vor der Hütte aufgebaut und wollte sich nur eben einen Tee kochen, was draußen wegen des starken Windes nicht klappte.

Tag 5: Fereastra Mică a Sâmbetei – Lerescu (8:30 h, 25 km)

Făgăraș-Durchquerung: Fereastra Mare a Sâmbatei
Făgăraș-Durchquerung: Fereastra Mare a Sâmbatei © gipfelwelt.net

Mit weiterhin strahlendem Sonnenschein und starkem Wind brach ich am nächsten Morgen gut ausgeruht vom ruhigen Nachtlager auf. Die ersten Stunden wiederholte sich das Erlebnis auf der zweiten Hälfte des letzten Tages: Es ging auf Traumpfad durch langgezogene Flanken und über ein paar leicht zu bewältigende Gipfel im 2.200er-Bereich wie die Slanina (2.268 m) und den kurz dahinter gelegenen Sattel Fereastra Mare a Sâmbatei (2.172 m).

Mittlerweile war es vollkommen einsam um mich geworden, in die Osthälfte des Făgăraș scheint es bislang wirklich nur ein paar Verrückte zu ziehen. Das zeigt sich auch daran, dass die Beschilderungen und Markierungen ab jetzt doch sehr in die Jahre gekommen waren. Sie reichten aber immer noch bestens aus für die leichte Orientierung. Das Landschaftsbild wurde hingegen merklich weniger dramatisch, die Bergrücken jetzt langgezogener und flacher.

In der Ferne war alsbald immer häufiger die Piatra Craiului zu sehen, die ich am Vortag noch nicht so richtig wahrgenommen hatte. Diese kleine Gebirgsgruppe mit ihrem schroffen Massiv steht quer zum Făgăraș und markiert damit dessen optisch unverkennbaren Endpunkt im Bârsa-Tal.

Făgăraș-Durchquerung: Blick auf Curmătura Zârnei
Făgăraș-Durchquerung: Blick auf Curmătura Zârnei © gipfelwelt.net

Bei ein paar versprenkelten Seen passierte ich die unglaublich schön gelegene Biwakhütte im Sattel Curmătura Zârnei (1.934 m), und nun wurde das Landschaftsbild noch sanfter und der Weg noch leichter zu gehen. So verlor ich allmählich etwas an Höhe und gelangte schließlich zum Refugiul Curmaturii Bratile (2.120 m) oberhalb eines kleinen Sees. Es ist kaum mehr als ein kleiner Verschlag.

Făgăraș-Durchquerung: Refugiul Comisu vor dem Panorama der Piatra Craiului
Făgăraș-Durchquerung: Refugiul Comisu vor dem Panorama der Piatra Craiului © gipfelwelt.net

Immer weiter an Höhe verlierend und mich der Baumgrenze annähernd erreichte ich die letzte Schutzhütte, die auf der Făgăraș-Durchquerung gelegen ist, das Refugiul Comisu. Es sieht fast genauso aus wie die davor gelegene Hütte und war in sehr schlechtem Zustand. Ich war auch motiviert, noch weiter zu gehen. Ich würde dir aber unbedingt empfehlen, hier das letzte Nachtlager aufzuschlagen. Denn direkt unterhalb beginnt das Habitat der Braunbären!

Mutig, oder übermütig, wie ich war, stieg ich jetzt in den Nadelwald hinab. Der Wind ließ merklich nach, und ich ging unbemerkt über den Lerescu (1.690 m). Kot und Trittspuren wiesen mich darauf hin, dass ich jetzt in Gesellschaft der Braunbären war. Hinter dem Lerescu führte ein kaum erkennbarer Trampelpfad zu einer Quelle, wo ich den Wasservorrat aufstocken konnte. Allerdings tröpfelte sie nur traurig, Waschen fiel heute daher schon mal aus. Mit viel Geduld konnte ich meine Flasche aber füllen.

Ich suchte mir eine kleine Lichtung im Wald und baute das Zelt robust mit Steinen anstatt Heringen auf, damit sich das Desaster der ersten Nacht keinesfalls wiederholen sollte. Ich pinkelte auch einmal ums Zelt, um mein Revier zu markieren. Vielleicht half es ja, zu neugierige Bären abzuschrecken. Mein Essen verpackte ich geruchsdicht im Packsack und lagerte es außerhalb des Zeltes. So hatte ich eine ruhige und ungestörte Nacht im Wald.

Tag 6: Lerescu – Bârsa-Tal (5 h, 16 km)

Auch am letzten Wandertag der Făgăraș-Durchquerung wartete wieder Sonne satt auf mich. Leider war ich zu faul, nochmal zur Tröpfelquelle zu gehen, um mein Wasser aufzufüllen. Und das rächte sich, als ich extra zur einzigen noch markierten Quelle bis Erreichen des Bârsa-Tals steil im Wald herab kraxelte, nur um sie trocken zu finden. Somit ging mir jetzt auf den letzten Kilometern das Wasser aus. Ich weiß gar nicht, ob mir das jemals schon passiert ist! Tja, eigene Dummheit. Ein reiches Vorkommen an Waldbrombeeren rettete mich ein bisschen, und ich tat mich reichlich an den saftigen Beeren gütlich.

Făgăraș-Durchquerung: Kurz vor dem Țânțăreanu
Făgăraș-Durchquerung: Kurz vor dem Țânțăreanu © gipfelwelt.net

Der Weg durch den Wald führte auch immer wieder über Lichtungen, sodass es gelegentlich schöne Ausblicke über die Karpaten gab. Ein letzter Anstieg auf den Țânțăreanu (1.662 m) war zu bewältigen, der sich im Durst anstrengender anfühlte, als er eigentlich war. Von da an ging es noch ein bisschen höher unterhalb des Tămașul Mare. Ausblick gab es aber bei beiden Gipfeln im Wald nicht mehr.

Jetzt verließ ich den Fernwanderweg E8, um nicht auf der Straße absteigen zu müssen. Stattdessen wählte ich eine weiß-gelb-weiß markierte Alternative durch den Wald stramm abwärts, die auch etwas kürzer ist als der E8. Dort wo die Bârsa ihre beiden großen Zuläufe vereint, hatte mich die Zivilisation wieder. Hier ist so eine Art Feriensiedlung entstanden mit reichlich Unterkünften und Campingplätzen. Ich stürzte mich begierig auf eine der Quellen an der Straße und tankte erst mal Flüssigkeit.

Dann war mir das Schicksal hold in Form eines jungen Rumänen, der sein Auto anhielt und mir ungefragt anbot, mich bis Zărnești mitzunehmen. Somit blieben mir die letzten Kilometer bis zum Bahnhof erspart. In der GPS-Route findest du aber einen Wanderweg oberhalb der Autostraße, damit du auch zu Fuß gut zum Zug gelangst.

GPS-Route Făgăraș-Durchquerung

Zuletzt aktualisiert am 10.10.2025 von Raffaele

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