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Wanderinspiration mit Franz Liszt

Büste von Franz Liszt
Büste von Franz Liszt © Pixabay/Jolanta Dyr

Reisen ist so viel mehr, als irgendwo hin zu fahren. Lass dich mit Franz Liszt auf eine musikalische Reise nehmen, für die kein Ortswechel erforderlich ist.

Als Vielreisender nicht nur, aber vor allem, um meine Bergwander-Abenteuer zu suchen, lasse ich mich natürlich auch gern zu neuen Vorhaben inspirieren. Und das müssen gar nicht unbedingt Reisetipps sein. Die intellektuelle Auseinandersetzung eines Genies wie Franz Liszt mit seinen eigenen Reisen bietet für mich ein bisschen geistige Nahrung gerade in einer Zeit wie dieser, wo die Welt erstarrt und der normale Alltag ausgesetzt ist.

Denn ist Reisen nicht so viel mehr, als sich irgendwo hin zu begeben? Ist Reisen nicht auch die Suche nach etwas Schönem, Wahren, Besonderen, nach etwas, das Kraft gibt und uns erfüllt, das wir in uns tragen in den Zeiten, in denen wir nicht reisen, in denen wir vielleicht Hoffnung, Zuversicht, Trost brauchen? Eines der Werke, die mir das geben, ist der Klavierzyklus Années de Pèlerinage, Pilgerjahre, von Franz Liszt.

Vom Wunderkind zum reisenden Virtuosen Franz Liszt

Der ungarisch-österreichische Komponist und Klaviervirtuose war ein Vielreisender seiner Zeit. Seine Zeit, das war das prunkvolle 19. Jahrhundert, das Zeitalter der Romantik und des Adels. Die Aristokratie Europas schwelgte in ihrer Parallelwelt im Luxus gab sich dem Genuss vor allem auch der Kunst hin, bevor sie in dieser Form nicht ganz zu unrecht unterging. In diesem Setting ist eine Person Franz Liszt zu verstehen: Ein Wunderkind am Klavier, stieg er zu einem gefeierten Star auf und war somit von klein auf stets auf Reisen. Herumgereicht und zu Konzerten geladen in den hohen Gesellschaftskreisen der Barone, Fürsten und anderer Mäzene, war er in ganz Europa unterwegs.

Besonders Italien und die Schweiz wurden wichtige Reise- und später auch Lebensorte von Franz Liszt. Doch lange am Stück hielt es ihn nirgends. Sein Leben war das des reisenden Virtuosen mit einem exzessiven Lebensstil, wie sich das gehört. Sein Vermächtnis ist sein enorm umfangreiches Werk für Soloklavier, dem es ebenfalls nicht an Exzessen mangelt.

Die Programmmusik für Klavier

Denn sehr früh begann er auch zu komponieren und verschrieb sich ganz der Programmmusik und Elementen der Tonmalerei. Hier findet eine Abkehr von den abstrakt-formalen Gliederungen der klassischen Musik nach Sätzen und Tempi statt. Der Musik wird vielmehr ein “Programm” als strukturierendes Element gegeben: Bilder, Geschichten, Mythen, Naturschauspiele, Landschaften. Man könnte auch sagen: Programmmusik ist die Musik des Wandernden schlechthin.

Der inhärente Widerspruch des Konzeptes der Programmmusik kann als kunstvolle Interpretation der Widersprüche menschlichen Seins aufgefasst werden. Natürlich *kann* Musik keine Bilder oder Landschaften beschreiben. Musik ist Emotion, oder eine Abstraktion davon. Aber solange es Musik gibt, werden Versuche unternommen, genau dies mit Musik zu tun. Die Musik *soll* für etwas Bestimmtes stehen, weil es der Drang des Betrachters ist. Er möchte wahren, verstehen, behalten, was er sieht und erfährt. Dieser Gedankengang lässt sich in der gesamten Welt der Spiritualität finden bis hin zu Marketing und Werbung, wo ein künstlicher Markenkern gefüttert wird mit Bildern und Emotionen. Musik ist dafür auch ein gern verwendetes Mittel.

Die Pilgerjahre

Der Zyklus Années de Pèlerinage nun, die Pilgerjahre, umfasst 26 Klavierstücke, welche die gesamte Bandbreite des kompositorischen Vermögens von Franz Liszt abdecken und über einen Zeitraum von fast vierzig Jahren entstanden sind. Somit wird dir alles geboten, was dir der Geist von Franz Liszt bieten kann. Kurze, leise, intime Stücke, wie Erinnerungen an Momente. Virtuose, laute, tobende Stücke wie inmitten einer wilden Naturszenerie. Epische, ruhige, lange Stücke wie eine Bootsfahrt oder eine Bergwanderung.

Die Schweiz und Italien als seine wichtigsten Reiseziele lieferten Franz Liszt die Inspiration zu den einzelnen Werken, die nochmals in drei Reisejahre gegliedert werden: Das erste Jahr, Schweiz. Das zweite Jahr, Italien. Das dritte Jahr, das ebenfalls Programmbezeichnungen aus Italien enthält. Im dritten Teil tauchen religiöse Elemente auf, was eine Erklärung sein könnte, warum der Zyklus Pilgerjahre heißt und nicht Wanderjahre oder Reisejahre. Während anfangs äußere Empfindungen durch Naturstimmungen und Ereignisse beschrieben werden, geht es im weiteren Verlauf immer mehr um innere Empfindungen bis zum finalen “Erhebet eure Herzen”.

Wie sich einem solchen Werk nähern? Ich denke, einen Zugang zu finden, macht einem der Komponist recht leicht. Such dir doch einfach einen ruhigen Moment, wenn du dazu die Möglichkeit hast, und lass es einmal komplett durchlaufen. Entdecke, woran dein Ohr hängen bleibt. Weiterzuspringen, wenn du in ein Stück nicht reinkommst, ist erlaubt.

Du willst erst mal kurz reinhören? Mein Lieblingsstück ist das sechste: Vallée d’Obermann. Es beschreibt die Wanderung durch das fiktive Obermann-Tal mit zwei tragenden musikalischen Motiven, die im Wechsel in facettenreichen Varianten auftauchen. Es ist ein Zwiegespräch, es gibt keinen richtigen Anfang, kein richtiges Ende. So wie bei jeder Wanderung liegt es am Wandernden, diese Punkte zu finden und zu bestimmen, denn in der Natur gibt es diese Punkte nicht.

Hier kannst du dir das gesamte Werk bei Youtube Music anhören (auch ohne Account):

Franz Liszt: Annees de Pelerinage, Pianistin: Sinae Lee © Youtube Music

Falls du einen Account bei Spotify hast, empfehle ich dir meine Lieblingseinspielung von Lazar Berman:

Franz Liszt: Annees de Pelerinage, Pianist: Lazar Berman © Spotify

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