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9 Dinge, die ich auf meiner Fernwanderung gelernt habe

Dieses Paar Schuhe habe ich bei meiner ersten Fernwanderung wortwörtlich durchgelaufen
Dieses Paar Schuhe habe ich bei meiner ersten Fernwanderung wortwörtlich durchgelaufen © gipfelwelt.net

Im Juni/Juli 2021 war ich auf meiner ersten Fernwanderung 27 Wandertage unterwegs. Das habe ich bei dieser körperlichen und mentalen Herausforderung gelernt.

Der Deutsche Alpenverein definiert Weitwandern alles bis zu 20 Tage und Fernwandern als alles, was darüber hinaus geht. Tagestouren und Weitwanderungen bis zu zwei Wochen Dauer habe ich schon etliche gemacht. Dieses Jahr stand die Grande Traversée des Alpes (GTA) als bislang größtes Bergwanderprojekt an, und somit meine erste Fernwanderung. Die GTA führt in knapp 600 km durch die Französischen Alpen ans Mittelmeer.

Für die GTA habe ich 27 Wandertage gebraucht. Dazu kamen zwei regenbedingte Pausentage und zwei weitere Tage Pause zur Regeneration. Somit war ich 31 Tage, und damit einen vollen Monat unterwegs! Nicht schlecht für meine erste richtige Fernwanderung.

Wandererfahrung hin oder her, brachte mir meine erste Fernwanderung durch die Länge und Intensität durchaus ein paar neue Erkenntnisse. Oder mir sind zumindest einige Dinge noch etwas klarer geworden, die bei kürzeren Touren nicht so deutlich zur Geltung kamen.

Das sind die neun Dinge, die ich auf meiner ersten Fernwanderung gelernt habe:

1. Eine Fernwanderung ist eine Reise

Das ist sicher der größte Unterschied einer Fernwanderung zu Tages- und Mehrtagestouren, wo man sich ja vor allem in der Hochgebirgswelt bewegt, Highlights rauspickt und über ggf. lange Anfahrtswege genau da hin fährt, wo man die spannendste oder interessanteste Region eines Gebietes zum Bergwandern entdeckt hat.

Nicht so bei der Fernwanderung. Hier absolvierst du alles zu Fuß, und zwar wirklich alles. Du passierst auch viele besiedelte Gebiete, Dörfer und Städte und musst auch mal auf oder neben der Autostraße lang. Das gehört dazu, wenn du mehrere Hundert Kilometer unterwegs bist.

Somit ist eine Fernwanderung keine reine Bergtour. Es ist mehr eine sehr entschleunigte, weil im Schritttempo vollzogene Reise durch ein oder mehrere Länder. Dabei lernst du viele Regionen kennen, erlebst den Wandel des Klimas, der Flora, Fauna und Geologie über die Distanz.

2. Keinen Plan zu haben, ist unglaublich befreiend

Schon lange befasse ich mich mit Themen wie Minimalismus, Freiheit und Unabhängigkeit. Eine Fernwanderung bringt es mit sich, keinen Plan zu haben, denn du kannst nicht Wochen im Voraus festlegen, wo du übernachtest, wann du Pausen brauchst, oder wann das Wetter mitspielt. Deswegen bleibt dir gar nichts anderes übrig, als ohne Plan loszugehen und offen dafür zu sein, dass sich für alles eine Lösung findet.

Dieses Sich-Treiben-Lassen, einfach zu gehen so lange man Lust hat und dann Unterkunft und Essen zu suchen, Erholungstage einzulegen wenn man sie braucht, und an einem Regentag einfach mal nichts zu tun, weil es nichts zu tun gibt, bedeutet eine unglaubliche Freiheit. Vielleicht ist es sogar die einzig wahre Freiheit, denn es geht um nichts außer das körperliche Wohlbefinden. Frei von Zeiteinteilung, frei von dem Streben nach irgendetwas, frei von der Organisation des Alltags oder irgend etwas anderem als der nächsten Mahlzeit und Unterkunft.

Da ich viel im Zelt übernachtet habe und auf der GTA Wildcamping fast überall toleriert wird, war es nie mit irgend einem Druck verbunden, wo ich denn wohl schlafen und essen kann. Ich hatte auch immer ein paar Rationen gefriergetrocknete Nahrung dabei, auf die ich einfach zurückgegriffen habe, wenn es mal keine Restauration gab.

Natürlich gibt es wohl in der Regel einen Zeitrahmen, den man sich für die Fernwanderung setzen muss. Doch dieses Zeitfenster kann das Fenster für die größtmögliche Freiheit sein. Ohne gute Vorbereitung und eine erprobte Packliste geht es natürlich auch nicht.

3. Ich mag Städte mehr, als ich dachte

Da man bei einer Wanderung über mehrere Hundert Kilometer auch immer wieder mal von der Einsamkeit der Bergwelt in Siedlungen bis hin zu Städten gelangt, war es für mich ein bisschen überraschend zu erleben, dass ich mich darauf gefreut habe. So sehr ich das intensive Erleben der Natur über mehrere Wochen genossen habe, war es dann halt schon auch einfach mal schön, in einem komfortablen Hotel zu übernachten und einen großen Supermarkt um die Ecke zu haben. Auch für das Auffüllen der Vorräte, oder wenn man Ersatz bei der Ausrüstung fällig wurde, war es natürlich ein Segen, ein paar Geschäfte vor Ort zu haben. Der typische Gemischtwarenladen mit Minisortiment und spartanischen Öffnungszeiten in irgendwelchen Bergdörfern kann schon sehr nerven.

Gut, ich lebe ja in der größten Stadt Deutschlands, weil ich generell eine hohe Affinität zum Stadtleben habe. Aber dass mir das sogar während der Bergwanderung so ging, mich zwischendurch gern in der Stadt aufzuhalten, war schon eine neue Erfahrung.

4. Ich hasse Morgentau

Auch neu war für mich die Erfahrung, wie sehr mir Morgentau auf den Sack geht. Ich habe auf der Grande Traversée des Alpes sehr viel in meinem Ultraleicht-Trekking-Zelt übernachtet. Somit durfte ich immer wieder erleben, wie morgens die Zeltplane vom Tau pitschnass war und ich dann mit nassem Zelt durch die Gegend laufen durfte, obwohl es bestes Wetter war. Wenn man das ein, zweimal macht, kein Problem. Aber so nach dem 10. Mal wird es nur noch nervig.

Ebenso schwierig gestaltete es sich wegen des Morgentaus mit dem Waschen der Kleidung. Als Ultraleicht-Trekking-Fan habe ich kaum Ersatzklamotten dabei, sondern wasche sie zwischendurch mit meiner Reiseseife. Da ich jedoch selten so früh den Wandertag beendet habe, dass die Kleidung noch am selben Abend wieder trocken gewesen wäre, musste ich sie in der Regel über Nacht trocknen lassen. Das klappte aber weder außerhalb des Zeltes, weil sie dort ebenfalls von Tau überzogen wurde und somit schön klamm und feucht war. Noch konnte ich sie im Zelt trocknen, weil hier ebenfalls durch den Tau die Luftfeuchtigkeit so hoch war, dass sie einfach kaum trocknete. Deswegen durfte sie die meiste Zeit dann tagsüber am Rucksack hängend trocknen.

5. Wut ist in Ordnung

Das bringt mich direkt zum nächsten Punkt: Es gibt viele Gründe, auf einer Fernwanderung in Wut zu geraten. Nasse Ausrüstung durch Morgentau ist nur einer davon. Wenn das Wetter partout nicht mitspielt, wenn der Körper streikt, wenn die Elektronik oder ein Ausrüstungsgegenstand ausfällt, und so weiter und so fort. Und dann ist es unbedingt auch in Ordnung, diese Wut zuzulassen. Ein bisschen fluchen und schimpfen ist da für die Psychohygiene einfach sehr wohltuend. Und dann kriegt man sich wieder ein und macht weiter.

Eine Fernwanderung mit steilen, langen Passagen, Wetterextremen von klirrender Kälte bis Affenhitze und wenig bis keiner Infrastruktur ist nicht nur eine körperliche Herausforderung, sondern genauso mental. Auch die Ausrüstung ist extremen Belastungen ausgesetzt und da geht halt auch mal was kaputt, was dann nur mit viel Aufwand zu ersetzen ist. Dass all das manchmal einfach nur anstrengend ist und nervt, lässt sich bei mehreren Hundert Kilometern Strecke nicht vermeiden. Und dann braucht es halt irgend ein Ventil, damit man sich wieder einkriegt und wieder offen ist für die (hoffentlich überwiegenden) schönen Momente, tollen Panoramen, traumhaften Zeltplätze, leckeren Mahlzeiten, guten Begegnungen und Vieles mehr.

6. Die Adaptionsfähigkeit des Körpers ist beeindruckend

Nachdem ich auf meiner Fernwanderung einige Tage unterwegs war, begann der Körper ziemlich rumzuzicken. Druckstellen an den Füßen und den Auflagestellen des Rucksacks, Rücken-, Glieder- und Kopfschmerzen durch die ungewohnte, weil dauerhafte körperliche Anstrengung und so weiter. Es war für mich etwas fragwürdig, wie das ein paar Wochen so weiter gehen sollte.

Tat es aber nicht, denn der Körper lernt schnell. Durch die ungewohnten Belastungen sendete er anfangs Warnsignale, bis er offenbar merkte, dass dies nun erst mal das neue Normal war. Die Druckstellen verschwanden von selbst, der ganze Körper wechselte in einen Dauersportmodus und stellte die Schmerzsignale ein. Fast ein bisschen zu sehr, wie ich am Ziel merkte, denn meine Füße und Kniegelenke haben unter der Extrembelastung schon etwas gelitten. Doch erst als ich mit der Fernwanderung fertig war, hatte ich wieder Körpersignale, die mir das verdeutlichten, sodass ich am Zielort Nizza für ausreichend Erholung sorgte.

7. Die Regeneration durch Schlaf wird extrem wichtig

Durch das, was du deinem Körper bei einer Fernwanderung zumutest, ist es so wichtig, dass er sich ausreichend erholen kann. Und er holt sich das auch einfach. Somit war es vor allem am Anfang meiner Tour so, dass mir die Augen fast schon zuvielen, sobald das Zelt aufgebaut bzw. das Nachtlager aufgesucht war. Somit habe ich auf der Tour viel geschlafen, sehr sehr viel.

Der Rhythmus in den Bergen ist ja ohnehin der Rhythmus der Frühaufsteher. Abends ist es eigentlich nur noch dunkel und kalt, was dazu führt, dass der Körper von selbst müde wird und du morgens mit dem ersten Licht fast automatisch wach wirst. Also ab spätestens 21h geht da einfach nicht mehr viel und es ist herrlich, der Müdigkeit nachzugeben und sich eben einfach schlafen zu legen und dann um 7 bestens ausgeruht aufzuwachen.

8. Das Deodorant, dein Freund und Helfer

Es ist ja so, dass die Möglichkeiten zur Körperpflege bei Mehrtagestouren und erst recht, wenn du wie auf einer Fernwanderung mehrere Wochen unterwegs bist, eingeschränkt sind. Es gibt nur alle paar Tage mal die Möglichkeit zur heißen Dusche, und ansonsten ist das Waschen am Wasserhahn oder dem Bergbach angesagt. Mit eiskaltem Wasser sollte es dann halt schnell gehen, weil es ist kein besonders großes Vergnügen.

Ich bin allerdings jemand, der beim Bergsport nicht grundsätzliche Hygienestandards über Bord werfen möchte. Ich möchte mich gerne wohl fühlen, und dazu gehört, dass weder ich noch meine Kleidung verschwitzt riecht. Es gibt leider einen gewissen Trend, die Naturnähe mit persönlicher Verwilderung einher gehen zu lassen. Die Ansprüche sinken zwar spätestens nach ein paar Hundert Kilometern. Aber wenn ich den Wanderer vor mir schon aus mehreren Metern Entfernung riechen kann, dann ist das halt schon echt fies.

Deswegen habe ich mich auch unter widrigsten Bedingungen täglich gewaschen und frische Kleidung angezogen. Das entscheidende Mittel zur Aufrechterhaltung der Hygiene heißt dabei Deodorant oder Bodyspray, denn sonst kommst du auch mit frischer Kleidung nicht weit. Also habe ich wirklich rauhe Mengen davon verwendet. Da ich schon lange aluminiumfreie Deos benutze, welche die Schweißbildung nicht verhindern, ist es da auch fällig, das Shirt und die Unterhose ordentlich mit Deo zu bedenken.

Vielleicht ändert sich meine Perspektive, wenn ich mal über 1000 km Strecke mache. Bis dahin halte ich meine Hygiene wacker aufrecht. Es war auch nie ein Problem, die Deovorräte unterwegs wieder aufzustocken, sodass ich gar nicht so viel mitschleppen musste.

9. Ultraleicht-Trekking kann nie leicht genug sein

Durch meine Fokussierung auf das Ultraleicht-Trekking habe ich nur noch ein Ausrüstungsgewicht von wenigen Kilo, Zelt und Outdoorküche eingeschlossen. Bei meinen jährlichen Packgewicht-Aspeck-Aktionen stelle ich auch nach vielen Jahren noch fest, dass es immer weitere Spielräume zur Optimierung der Packliste gibt. Somit bin ich im Ultraleicht-Trekking-Bereich wirklich sehr erfolgreich dabei.

Bei einer Fernwanderung kommt die Packliste einmal komplett mit. Und da bin ich zur Ansicht gelangt, dass auch das mittlerweile schon extrem reduzierte Gewicht zu viel werden kann. Wenn ich meine Essensvorräte gerade wieder frisch aufgefüllt habe oder einfach durch die zunehmende Herausforderung über Hunderte von Kilometern, habe ich jedes Gramm immer intensiver gespürt. Das Traumgewicht für meinen Rucksack wäre eines, das mir auch nach einer sehr langen Strecke noch fast unmerklich auf den Schultern sitzt – was bei Mehrtagestouren bereits der Fall ist. Also werde ich weiter leidenschaftlich Packgramm abspecken.

Sehr zufrieden bin ich aber mittlerweile mit dem Packvolumen. Die komplette Packliste passt leichtestens in meinen aktuellen Rucksack mit etwa 52 Litern Packvolumen. 52 Liter ist nicht total wenig, aber wenig genug, dass der Rucksack lang und schmal ausfällt und bestens auf dem Rücken sitzt.

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