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Alpenüberquerung in den östlichen Seealpen

Stillleben in den Seealpen am Col della Boaria mit Ruine und Grenzstraße
Stillleben in den Seealpen am Col della Boaria mit Ruine und Grenzstraße. © gipfelwelt.net

Sommer 2016 war ich zum ersten Mal in den Westalpen wandern. Sechs Tage folgten wir der französisch-italienischen Grenzlinie und überquerten so die Seealpen.

Zu dieser Hüttentour-Wanderung in den Seealpen inspiriert hat mich eine Tour aus dem Rother Band Hüttentrekking Westalpen “Vom Tendepass zum Mittelmeer” quasi auf der Grenzlinie Frankreich-Italien. Bis ganz ans Meer zu laufen zu den Ausläufern der Seealpen an der dicht besiedelten und befahrenen Côte d’Azur schien mir nicht lohnend. Daher plante ich die Tour von Limone Piemonte bis Breil-sur-Roya ca. 20 km vor der Küste. Beide Orte liegen an der Bahnlinie von/nach Nizza und sind daher bequem zu erreichen.

Erst im Nachhinein ist mir bewusst geworden, dass es sich dabei tatsächlich sogar um eine Alpenüberquerung handelte. Denn wir haben auf dieser Tour das letzte Ende des Alpenhauptkamms via Tendapass überschritten. Hier in den Seealpen ist der Alpenhauptkamm am schmalsten, so dass man hier die kürzeste Alpenüberquerung machen kann.

Als Wanderkarten für die Seealpen verwendete ich

  • die IGC 8 Alpi Marittime e Liguri
  • und die IGC 14 San Remo Imperia Monte Carlo,

die das gesamte bewanderte Gebiet gut abdecken.

Sechs Tage der französisch-italienischen Grenzlinie hoch über dem Roya-Tal folgend, ging es auf dem Gebirgskamm, an dem sich die Seealpen und die ligurischen Alpen treffen, dem Mittelmeer entgegen. Dies ist kein bestehender Weitwanderweg. Ein Stück weit folgt man der Alta Via dei Monti Liguri (AVML). Ansonsten muss man sich die mal besser, mal schlechter markierten Wege zusammensuchen. Sie wurden größtenteils vom Militär angelegt und genutzt, bis man sie in Wanderwege umgemünzt hat.

Gelegentlich lassen sich auf dieser Alpenüberqerung Militärforts und -anlagen, oder was davon übrig ist, bestaunen. Direkt auf der Grenzlinie verläuft die Ligurische Grenzkammstraße, eine Schotterpiste, die auf der Wanderung immer mal wieder tangiert wird. Auf ihr sind gelegentlich Geländewagen, Enduros, Mountainbiker oder auch mal Kuhherden unterwegs. Wanderer haben wir trotz Hauptsaison unterwegs so gut wie keine angetroffen.

Das Hüttennetz in dieser Region ist so mittelgut. Manche ehemalige Berghütten wurden aufgegeben und verfallen. Immerhin zwei tolle bewirtschaftete Alpenvereinshütten (Don Barbera, F. Allavena) sind gute Stützpunkte auf dieser Tour in den Seealpen. Die San Remo-Hütte fungiert als Selbstversorger-Zwischenstopp, das Wasser dort hat keine Trinkwasserqualität und muss aufbereitet werden. Das Albergo Gola di Gouta wird privat bewirtschaftet, ist damit etwas teurer und liegt ein Stück abseits der Wanderroute.

Eindrucksvoll zu erleben fand ich: Das zunächst hochalpine Landschaftsbild in der Gegend um Limone, das auch ein Wintersportort ist, wandelt sich im Laufe der Wanderung durch die Seealpen immer mehr ins Mediterrane. Genauso wie die Gerüche und das Klima. Bei gutem Wetter kann man am Horizont gelegentlich das Meer und die Städte an der Côte d’Azur und der ligurischen Küste sehen.

Und das waren unsere Etappen:

Limone Piemonte – Col della Boaria – Rifugio Don Barbera (7 h)

In Limone galt es zunächst, den Schlüssel für das unbewirtschaftete Rifugio San Remo im Geschäft Bottero Ski auszuleihen.

Am nächsten Tag schenkten wir uns die ersten Höhenmeter, die unschön auf der Landstraße zu bewältigen wären, und nahmen stattdessen die Gondelbahn.

Den Abzweig ins Valletta-Tal verpassten wir zunächst mangels Ausschilderung und drehten eine Extraschleife. Nach ein paar Ruinen begann der steile Aufstieg zum Col della Boaria (2102 m) durch die drückende Mittagshitze. Er kostete Zeit und Kraft, belohnte aber mit dem weiter werdenden Blick tief ins Valletta-Tal hinein. Nach dem Pass oberhalb des Grenzwegs eher gemütlich, aber in noch größerer Hitze, auf dem Gebirgskamm zum relativ neuen Rifugio.

Rifugio Don Barbera – Punta Marguareis – Rifugio Don Barbera (4 h)

Der heutige Tag in den Seealpen war ganz der Punta Marguareis gewidmet, mit 2.651 m der höchste Berg der ligurischen Alpen. Die Besteigung gestaltete sich im Wesentlichen unkompliziert. Da wir unser Gepäck auf der Hütte lassen konnten, ging es nochmal viel besser.

Rifugio Don Barbera – Monte Saccarello – Rifugio San Remo (6 h)

Weiter ging es durch die Seealpen auf dem Gebirgskamm mit ständig wechselnden herrlichen Weitblicken in verschiedene Täler der Ligurischen Alpen auf der einen und der Seealpen auf der anderen Seite bis hinunter ans Mittelmeer, das allerdings unter einer Dunstglocke lag. Zwischendurch schoss ein Steinbock dicht an uns vorbei einen Steilhang hinauf. Mittags gelangten wir zur riesigen Christusstatue auf dem Monte Saccarello (2.201 m). Hier werden im Sommer Bergpredigten abgehalten.

Weiter ging es auf einer Schotterstraße bis zum unbewirtschafteten Rifugio, das noch dazu kein Wasser in trinkbarer Qualität hatte. Leider machte es auch einen recht verwahrlosten Eindruck. Aber nun gut, wenigstens ein Dach über dem Kopf. Das Wasser kochten wir mit dem vorhandenen Gasherd ab und bereiteten unser gefriergetrocknetes Essen zu. Nach einer Flaschendusche genossen wir die tolle Aussicht vor dem Rifugio und die Einsamkeit der Berge – bis in der Dämmerung noch eine Wandererfamilie eintraf. Mit der konnten wir dann zumindest unsere Freude teilen über eine Herde Berggämse, die unweit der Hütte äste.

Rifugio San Remo – Rifugio F. Allavena (5 h)

Beim Monte Saccarello ging es heute steil hinab in den Wald hinein. Später über herrlich duftende und blühende Almwiesen an vielen Ruinen vorbei bis in dicht bewaldetes Gebirge, aus dem in strahlendem Grün der Tenarda-Stausee in der Nähe unserer heutigen Unterkunft hervorstach.

Rifugio F. Allavena – Albergo Gola di Gouta (6 h)

Gebirgskamm am Monte Toraggio
Dampfender Gebirgskamm am Monte Toraggio. © gipfelwelt.net

Heute ging es in der ersten Hälfte der Wanderung in den Seealpen viel über Felssteige durch die Westflanken von Monte Pietravecchia und Monte Toraggio. Zum vermutlich spektakuläreren Teil auf dem Sentiero degli Alpini (Ostflanken) verpassten wir den Abzweig und stießen dann zwischen den Gipfeln bei der Gola dell’Incisa auf ihn. Der zweite Teil war wegen Erdrutsch gesperrt. Meine Wanderbegleitung war nicht so traurig darüber, dass wir die Westflanken begingen, als wir in die Ehrfurcht erregenden Steilwände auf der Ostseite blickten – ich schon ein bisschen. Doch auch die Westseite ist äußerst beeindruckend.

Der zweite Teil eher belanglos, zu einem großen Teil durch Wald auf Fahrwegen, bis zu einer kleinen Siedlung, in der sich die heutige Unterkunft befindet.

Albergo Gola di Gouta – Breil-Sur-Roya (6 h)

Den steilen Abstiegspfad durch dichten Wald hinab ins hübsche Bergstädtchen Breil in den Seealpen verpassten wir zunächst, beim zweiten Anlauf entdeckten wir die gelbe Markierung. Spannend war der Abstieg nicht besonders, und das Klima heute sehr drückend. Aber die Blicke weit in die Seealpen hinein, das Royatal rauf und runter – wenn der Wald es zuließ – bis hin zum Anfangspunkt der Wanderung auf der einen und dem Mittelmeer auf der anderen Seite belohnten ein wenig. Geschafft! Ein erholsames Bad in der eiskalten Roya an einer Badestelle direkt beim gepflegten Campingplatz war der würdige Abschluss unserer Tour durch die Seealpen.

GPS-Route Alpenüberquerung in den östlichen Seealpen

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